virtuell.gesund:social.medial

Die 14. „denk.werkstatt“ bei Resopal

Im Kalender vieler Architekten steht sie als fester Termin: die „denk.werkstatt“ bei Resopal. Zur diesjährigen Ausgabe am 7. und 8. November kamen einmal mehr knapp 400 Planer, Gestalter und Innenausbauer zum Schichtstoffhersteller nach Groß-Umstadt. Dabei bewegten sich die neun renommierten Referenten bei ihren Ausführungen zum Thema „virtuell.gesund:social.medial“ ausnahmslos auf hohem Niveau. Die Moderation übernahm der Mitinitiator der „denk.werkstatt“ Professor Rudolf Schricker, Vizepräsident des BDIA (Bund deutscher Innenarchitekten).

Gleich zu Beginn betraten zwei „Designer im Ruhestand“ die Bühne und erläuterten ihre Motivation, auch noch über das Arbeitsleben hinaus etwas zur Rettung der Welt beitragen zu wol­len. Professor Jan Armgardt und Professor Auwi Stübbe berichte­ten wie begeisterte Kinder, die gemeinsam Bewegendes erlebt haben und einander vor Aufregung kaum ausreden lassen, von ihrem Rattan-Projekt in Indonesien. Schockierend wirkten ihre Im­pressionen zum Müllproblem in dem Land, das sie für eine „Bankrotterklärung unserer Zivilisation“ halten. Ihre Vision besteht darin, den biologischen und technischen Kreislauf der Erde nicht mehr getrennt voneinander zu betrachten, sondern über die sinn­volle Verwertung von Industriemüll für die Natur nachzudenken. Die Natur, so die Aussage der beiden Designer, produziere keinen Müll.

Überwiegend soziale Ziele verfolgt auch Professor Dr. Mark Dominik Alscher, Facharzt für Innere Medizin und Ärztlicher Di­rektor des Robert-Bosch-Krankenhauses in Stuttgart. Im Kontext der zunehmenden Ökonomisierung des Medizinbetriebes, der Wissenskomplexität und der Zeitknappheit falle es immer schwie­riger, Patienten als menschliche Individuen zu behandeln. Ziel müsse es sein, Patienten als Kunden zu begreifen, was auch Auswirkungen auf die Architektur habe.

Diesen Aspekt griff Professor Linus Hofrichter auf, der als Archi­tekt Krankenhäuser nutzer- und prozessorientiert plant. Wie sein Vorredner sprach er sich für eine interdisziplinäre Denke aus, die die Prävention in der Vordergrund rückt und Patienten Identifika­tion ermöglicht. Dazu sei es nötig, Krankenhäuser und Altenheime – die Wörter verhießen schon Furchtbares – mit einer sinnvollen Kombination aus Funktion und Ästhetik aus der Stigmatisierung zu führen.

Personalgespräche während des Waldlaufes, Delegieren zur Seite und nach oben, Zähneputzen im Stehen – was sich kurios anhört, sind für Peter Buchenau einfach praktizierbare Dinge, die Stress und Burnout vorbeugen. Dass es sich auch finanziell für Unter­nehmen lohnt, präventiv etwas für die Gesundheit der Mitarbeiter zu tun, vermittelte der Business-Kabarettist auf Basis seines Best­sellers „Chefsache Gesundheit“.

Obwohl Knut Göppert, Geschäftsführer Schlaich Bergermann und Partner, dem frühen Aufstehen kritisch gegenüber steht, servierte er dem „denk.werkstatt“-Publikum am Samstagmorgen einen Vor­trag, der bleibende Eindrücke hinterließ. Schnelldurchläufe von Webcam-Filmen gaben in Sekundenschnelle einen Eindruck von der Komplexität der Tragwerksplanung, zum Beispiel im Moses-Mabhida-Stadion in Durban, in der Amazonas-Arena in Manaus oder im National-Stadion Warschau. Bei aller Technik betonte Göppert die Bedeutung der Menschen vor Ort; dabei meint er zum einen die, die in schwindelerregenden Höhen das Ingenieurwerk vollenden, und zum anderen die, die die Stadien nach den großen Events nachhaltig nutzen können müssen.

Es folgten Vorträge von Enrico Kürtös, Vertriebsleiter Inreal Tech­nologies, Karlsruhe, und dem Architekten Professor Jens Wittfoht aus Stuttgart, die zunächst konträrer nicht hätten sein können, sich in der Nachbetrachtung jedoch versöhnlich annäherten. Der eine, Enrico Kürtös, kam als jemals jüngster Redner der „denk.werkstatt“ nach Groß-Umstadt und eröffnete seinen Vortrag sogleich mit einem Selfie, um das seinem Alter entsprechende Klischee der Generation Y zu bedienen. Seine Affinität zur Inter­nettechnologie wurde schnell klar, als er seine Arbeit als „Stein­metz der Zukunft“ darlegte. Aufbauend auf CAD-Daten erstellt Inreal Technologies virtuelle und in Echtzeit begehbare, höchst realistische 3D-Welten, die den Entwurfsprozess von Architekten vereinfachen und verkürzen. Auf der Grundlage dieser Möglich­keiten könne Bauherren unheimlich schnell klar gemacht werden, was geplant ist. Kürtös stellte auf der „denk.werkstatt“ entspre­chende Hard- und Software vor, die Architekten noch in diesem Jahr in die Lage versetzt, virtuelle Welten selbst zu generieren.

Anschließend warnte Professor Jens Wittfoht trotz aller Bedeutung des Computers vor einer digitalen Abhängigkeit. Der Mehrwert von Architektur ergebe sich für ihn erst durch den kreativen Akt, der über die Freihandzeichnung, die Skizze und den Modellbau dazu führe, dass der Architekt auf seine analogen Wissensspeicher aufgrund von Erfahrungen zurückgreifen könne. So fließen in den Entwurfsprozess auch Aspekte ein, die nicht mathematisch mess­bar und mit dem Computer zu erfassen sind, also Fragen, die die Sinne und das Unterbewusstsein betreffen. Für Wittfoht erzeugt der frühe Gebrauch des Computers zum Erstellen fotorealistischer Renderings ein Diktat der Bilder, das den freien Momenten des Analogen Widerstand leistet. Dieser „Pathologie des Entwurfspro­zesses“ müsse man das Unpräzise entgegensetzen, das Freiraum für die zeitgemäße qualitätsvolle Architektur lässt.

Den Schlussakkord der „denk.werkstatt“ 2014 setzte Professor Dr. Tobias Esch. Der Mediziner und Gesundheitswissenschaftler stellte die Frage: „Was ist Glück?“ Und er beantwortete sie ein­deutig: Auch wenn er selbst sich der digitalen Welt nicht ver­schließe, müsse jedem klar sein: „Glück und die Königsdisziplin des Glücks Zufriedenheit erlangt man nur analog, im Hier und Jetzt.“ Mit seinen Thesen berief er sich auf sein Buch über die Neurobiologie des Glücks. Darin manifestiert er als Voraussetzung für das Glücklichsein Offenheit, einerseits gegenüber anderen Menschen, andererseits für den Wandel. Über einen Prozess der inneren Reifung, der sich über das gesamte Leben eines Men­schen erstreckt, könne man Glück erleben.

In seinem Schlusswort fand Professor Rudolf Schricker die pas­sende Analogie zur Bewusstseinsfindung: Auch die „denk.werkstatt“ befinde sich mit ihren 14 Jahren in einer ent­scheidenden Phase, der Pubertät. Thomas Stumpf, Vertriebsleiter Deutschland bei Resopal, sprach ihm abschließend seinen Dank aus und entgegnete: „Es tut sich viel bei Resopal, das ist richtig, aber Resopal ist ein Traditionsunternehmen; Resopal ist Erfinder des Schichtstoffes und der ‚denkwerkstatt‘. Vorausgesetzt, Sie haben Lust, dann ist die ‚denk.werkstatt‘ 2015 gesetzt.“ Mit ihrem anhaltenden Applaus antworteten die Teilnehmer, dass sie sich den Termin für nächstes Jahr gern wieder fest einplanen.

Bildtext 1: Die Referenten und der Moderator der „denk.werkstatt“ 2014, obere Reihe von links: Professor Rudolf Schricker, Profes­sor Jan Armgardt, Professor Auwi Stübbe, Professor Dr. Mark Dominik Alscher und Professor Linus Hofrichter. Untere Reihe von links: Peter Buchenau, Knut Göppert, Enrico Kürtös, Professor Jens Wittfoht und Professor Dr. Tobias Esch. Fotos: Joscha Wiener für Resopal

Bildtext 2: Thomas Stumpf, Vertriebsleiter Deutschland, begrüßte die Gäste der 14. „denk.werkstatt“ im Namen von Resopal und stellte die Fortsetzung 2015 in Aussicht. Foto: Joscha Wiener für Resopal

Bildtext 3: Im Kalender vieler Architekten steht sie als fester Ter­min: die „denk.werkstatt“ bei Resopal. Zur diesjährigen Ausgabe am 7. und 8. November kamen einmal mehr knapp 400 Planer, Gestalter und Innenausbauer zum Schichtstoffhersteller nach Groß-Umstadt. Foto: Joscha Wiener für Resopal

Bildtext 4: Der Schnellzeichner und Karikaturist Marcel Bender fertigte in Sekundenschnelle digitale Karikaturen der „denk.werkstatt“-Gäste, die Resopal auf Wunsch individuell ver­presst und als Erinnerung den Personen zukommen lässt. Foto: Resopal

Bildtext 5: Gestaltete den Freitagabend in Groß-Umstadt: Die Band „C.I.O. – Check it out“. Das Repertoire der erfahrenen Musi­ker um Frontfrau Stefanie Henning reichte von Klassikern der Rock-, Pop- und Blues-Geschichte bis zu aktuellen Hits. Foto: Joscha Wiener für Resopal

Bildtext 6: Gutes Essen ist auf der „denk.werkstatt“ obligatorisch. Dafür verantwortlich zeichnet der Caterer „Bistro Flex“ aus Erbach. Foto: Joscha Wiener für Resopal

Published at: 11-01-2014